Tagesarchiv: 13. März 2013

Troposcatter

creux du vent 1

Es ist offensichtlich: Die Beteiligung an den UKW Contesten sinkt immer weiter in den Keller. Zwischen den Contesten ist noch viel weniger los auf unseren Meter- und Dezimeter-Wellen. Abgesehen von etwas CB-Betrieb auf den Relais herrscht Rauschen. „Einen guten Abend gewünscht und noch die besten Zahlen.“ Mein Gott, so redet doch kein vernünftiger Mensch.

Noch in den Achtzigerjahren konnte man abends auf 70cm in SSB CQ rufen, ohne als Masochist zu gelten. Rufen kann man zwar heute noch, aber man kann genausogut mit der Katze reden.

Viele Newcomer wissen vielleicht gar nicht mehr, dass man auf UKW auch abseits der Relais und in anderen Betriebsarten als FM funken kann. Und sie wissen vielleicht auch nicht, was mit ein paar Watt und einer Yagi im 2m und 70cm Band möglich ist. Der Blindenstock ist das Mass aller UKW-Antennen geworden, das WLAN hat den Transverter ersetzt und D-Star ist das neue SSB.

Seit die Kandidaten nicht mehr Morsen müssen, hockt auch der letzte Glünggi auf dem 80m Band oder brüllt FaiiiiveNeiiiin auf 20, nachdem er im Cluster eine Station ausfindig gemacht hat. Kurzwelle sei die Königsklasse des Funks, hat kürzlich jemand in diesem Forum gepostet. Da muss ich vor Lachen in die Tischkante beissen und bin richtig froh, dass in Suburbia nicht jeder König eine Antenne gebacken kriegt.

Aber ich wollte eigentlich nicht lamentieren. Sondern etwas über Troposcatter erzählen. Die Ausbreitungsart, die für die meisten Contest-QSO’s und UKW-Verbindungen über den optischen Horizont hinaus verantwortlich ist.

Als der Satellitenfunk noch in den Kinderschuhen steckte, lief bei den Kommerziellen und den Militärs auch nur die Kurzwelle. Das gab natürlich Probleme und man suchte nach einem Ausweg für stabile Funkverbindungen über die Sichtreichweite hinaus. Auch ohne riesige Masten und exponierte Standorte sollten Verbindungen über mehrere hundert Kilometer möglich sein. Vierundzwanzig Stunden am Tag, unabhängig von Ausbreitungsbedingungen.

Findige Ingenieure entdeckten schon früh, dass mit UKW-Wellen Verbindungen möglich waren, wenn beide Stationen ihre Antennen auf den gleichen Punkt in der Troposphäre richteten. Ob Reflexion, Brechung oder Beugung an Unregelmässigkeiten der Atmosphäre – der Mechanismus ist auch heute noch nicht ganz klar. Aber die Verbindungen waren ausreichend zuverlässig, trotz QSB.

So wurde zum Beispiel während des Vietnam-Krieges von den Amerikanern ein Troposcatter-Netz mit dem Namen Back Porch eingerichtet, das die einzelnen Stützpunkte miteinander verband. Notabene ein mehrkanaliges FM-System. Welche Frequenzen und Leistungen dabei benützt wurden, konnte ich leider bisher nicht herausfinden. Das Militär lässt sich auch nach so langer Zeit nicht gerne in die Karten schauen. Doch im Netz findet man Fotos von grossen Parabolantennen in Vietnam und auch Karten, die die Funkstrecken zeigen. So wurde zum Beispiel die Strecke von Saigon (dem heutigen Ho-Chi-Minh) nach Nha Trang überbrückt – gute dreihundert Kilometer mitten über den Dschungel hinweg. Oder zwischen Pleiku und Ubon in Thailand über eine ähnliche Distanz.

Auch in Japan bauten die Amerikaner ein solches Troposcatter-System, vom Norden Hokkaidos bis hinunter nach Chiran in der Präfektur Kagoshima.

Natürlich waren die verwendeten Antennen riesig und die Leistungen im Kilowatt-Bereich. Doch in SSB und mit den Rauschzahlen moderner Empfänger reichen 50 bis 100W und eine Langyagi um auf ebenso grosse Distanzen zu kommen wie damals in den Sechzigern die mehrkanaligen Troposcatter-Netze. Verbindungen über 200 bis 300km sind sowohl im 2m wie auch im 70cm Band jederzeit möglich, ohne Höhenstandorte und ohne Überreichweiten. Oft auch über grössere Distanzen. Die maximale Grenze für Troposcatter liegt bei 700 bis 800km. Hier der Link zu einem interessanten Vortrag von OZ1RH

Aber auch via Ionosphäre sind Scatterverbindungen möglich, unabhängig von der herrschenden MUF. Allerdings im unteren VHF-Bereich, also im 6m-Band. Dafür können höhere Reichweiten erzielt werden, da sich die Scatterzone in der wesentlich höheren Ionosphäre befindet. So haben die Amerikaner nach dem zweiten Weltkrieg von Hawaii bis nach Luzon auf den Philippinen und von dort hinauf bis Okinawa ein Ionoscatternetz aufgebaut. Die Distanz wurde natürlich nicht in einem Schwung überbrückt, sondern von Insel zu Insel, quer durch den Pazifik. Die grösste Distanz zwischen zwei Stationen lag dabei zwischen Midway und Wake mit 1350km.

Doch wer meint, das sei jetzt alles Geschichte, ist auf dem Holzweg. Im Gegensatz zu den Kommerziellen, trauen die Militärs auch heute noch den Satelliten nicht über den Weg und benutzen nach wie vor als Alternative und Backup Tropo- und Ionoscatter. Denn ein EMP einer Nuklearexplosion kann nicht nur Satelliten ausser Gefecht setzen, er kann auch die Ionosphäre eine zeitlang wegpusten. Dann geht nicht einmal mehr die Kurzwelle.

Hier ein Überblick über die heutigen Troposcatter-Systeme des Militärs.

73 de Anton

Bild: Blick vom Creux du Van