Tagesarchiv: 22. November 2012

Wunder im Antennenwald

Als ich meinen ersten Sender betrieb, konnte ich das SWR noch nicht messen. Mit einer EF95 in ECO-Schaltung und einem langen Draht, den ich auf einem 2m hohen Buchenhag ausgelegt hatte, funkte ich schwarz quer durch Europa. In CW notabene. Die Angst vor dem Gilb war grösser als vor dem SWR.

Damals war mein Draht im Buchenhag für mich eine Wunderantenne.

Inzwischen sind die Antennenwunder etwas raffinierter geworden. Und sie sind nach wie vor beliebt. Denn sie haben Eigenschaften, die sich die meisten Öhmer wünschen:

Sie sind verblüffend klein und unauffällig und haben ein gutes SWR über einen grossen Frequenzbereich. Aber noch etwas zeichnet diese Wunderantennen aus: Sie werden von ihren Erfindern meistens anekdotisch beschrieben: Man habe damit diese und jene Station erreicht und dabei diesen oder jenen Rapport bekommen. Nachprüfbare Messwerte sind Mangelware. Manche dieser Antennen sind so wunderbar, dass sie geheim sind. Das heisst: man weiss nicht, was drin ist. Der Erfinder schweigt sich aus und der geheimnisvolle Teil der Antenne ist vergossen. Andere wiederum wollen ein neues physikalisches Prinzip entdeckt haben oder setzen kurzerhand die bekannte Physik ausser Kraft.

Wunder haben in der realen Welt eine besondere Eigenschaft: Sie sind einmalig. Könnte man sie verlässlich reproduzieren, wären es keine Wunder mehr.

Eine zentrale Rolle in der Welt der Antennenwunder spielt nach wie vor das SWR.

Ein tiefes SWR ist wichtig um die Sendeenergie möglichst effizient vom Sender in die Antenne zu bringen. Aber ein tiefes SWR bedeutet nicht automatisch, dass die Antenne auch ein guter HF-Strahler ist. Manchmal ist sogar das Gegenteil der Fall.

Alle Antennen strahlen einen Teil der Sendeleistung als HF und einen Teil als Wärme ab. In der Regel ist es so: Je grösser die Bandbreite, desto mehr Sendeenergie wird in Wärme umgewandelt. Daher Vorsicht vor Bandbreiten-Wundern. Der Dummy Load ist der Extremfall: er hat ein perfektes SWR über einen riesigen Frequenzbereich und verwandelt die HF fast vollständig in Wärme.

Im Gegensatz zu einer Antenne weist der Dummy Load keine Resonanz auf. Eine gute Antenne dagegen hat immer irgendwo eine oder mehrere Resonanzen.

Eine Antenne braucht zwar nicht resonant zu sein, um zu strahlen, aber es hilft bei der Anpassung. Zudem sagt die Resonanz viel aus über die Effizienz einer Antenne. Grundsätzlich ist es so: je kleiner die Antenne gegenüber der Wellenlänge, umso schärfer wird die Resonanz. Sind kurze Antennen breitbandig, ist Misstrauen angebracht. Dann sind mit Sicherheit verlustbehaftete Elemente im Spiel. Widerstände oder einfach viel aufgewickelter dünner Draht.

Aber Wunderantennen sind nicht per se unbrauchbar. Manch einer verzichtet bewusst auf eine S-Stufe zugunsten einer unkomplizierten Anpassung. Kommerzielle Dienste mit genügend Reserve zum Beispiel. Doch für den QRPeter wird es kritisch. QRP und ineffiziente Antennen vertragen sich schlecht. Und auch der Mobilist hat seine liebe Mühe, wenn die dB’s auf der Strecke bleiben.

73 de Anton

Bild: Eine Magnetantenne für 160m?