Der Traum vom Notfunk

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Nun soll der Notfunk als Argument herhalten um unsere Antennen zu rechtfertigen. Ich fürchte, auf diesen Trick fällt niemand herein. Schon gar nicht die technophoben Hysteriker in Suburbia. Fragen wir doch einmal unseren netten und elektrosensiblen Nachbarn:

„Mit dem Argument des Notfunks können Antennentürme voller Alustangen kaum gerechtfertigt werden. Es gibt schon eh genug von solchem unnützen Zeug, das die Landschaft verschandelt und mich mit Elektrosmog krank macht. Wieso sollte ich als Nachbar einen hässlichen Gittermast in meiner Aussicht akzeptieren, nur weil dieser seltsame Mensch behauptet, er könne bei der nächsten Katastrophe die Welt retten? Dafür sind bitteschön Polizei und Zivilschutz zuständig, das sind doch Profis, der Spinner von nebenan ist bloss ein Hobbybastler. Und ausserdem habe ich ja mein Ei-Dings und das Internet.“

Netter Versuch, liebe USKA, doch ich fürchte, dieser Schuss geht in den Ofen.

Damit wir uns richtig verstehen: Ich habe nichts gegen Notfunk und bin diesbezüglich auch ausgerüstet. Doch die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.

Das fängt schon bei den Szenarien an, die den Amateurfunker in unserem kleinen Land zum Notfunker machen sollen. Und es hört bei den Notfunkern und ihren diffusen Vorstellungen aus der Pfadi-Welt auf.

Bei den „gewöhnlichen“ Katastrophen unserer Gesellschaft können ein Funkhandy und der nächste Repeater durchaus nützliche Dienste leisten, wie verschiedene Vorkommnisse in der Vergangenheit gezeigt haben. Das ist unbestritten, doch dazu reicht die Gummiwurst als Antenne.

Wenn aber der Doomsday an der Haustür klingelt und uns der Himmel auf den Kopf fällt, habe auch ich besseres zu tun, als an die Station zu sitzen und zu funken. Wenn zum Beispiel in Mühleberg der Atommeiler Amok läuft, so setze ich mich ins Auto und versuche als Erster so weit wie möglich weg zu fahren. Wenn die Grossmächte die roten Knöpfe drücken, so verkrieche ich mich in den Weinkeller und veranstalte einen Bottelón. Wenn Basel von einem Erdbeben platt gemacht wird, werde ich mich hüten dorthin zu fahren und meine Station auf der anderen Seite des Belchentunnels aufzubauen. Denn soweit würde mich das Militär gar nicht kommen lassen. Von Asteroiden und dem Ausbruch des Yellowstone-Vulkans will ich erst gar nicht anfangen.

Es gibt in meiner Fantasie zurzeit nur ein Szenario, wo ich mir tatsächlich so etwas Ähnliches wie einen Amateur-Notfunk vorstellen kann.

Es ist der Fall eines grossflächigen Stromausfalls. Zum Beispiel verursacht durch einen Sonnenausbruch. Wenn das europäische Verbundnetz zusammenklappt, kippt ein Kraftwerk nach dem anderen um wie Domino. Bis das alles wieder hochgefahren ist, kann es gut eine Woche dauern. Wird durch einen Sonnenausbruch zusätzlich unsere elektronische Gesellschaft „beschädigt“, so werden wir sehr lange Zeit um hundert Jahre zurückversetzt. Gut, wer dann über einen entsprechenden Notvorrat verfügt. Nur dann kann er einigermassen „ruhig“ funken. Sonst steht der OM nämlich auch vor dem leeren Aldi und macht aus seinen Möbeln Brennholz.

Doch kommen wir mal zu der praktischen Seite eines solchen Falls. Der Strom ist weg, rien ne vas plus. Kein Internet, kein i-Dings und die Glotze will auch nicht anspringen. Auch der Ölbrenner und die Wärmepumpe streiken und der Lift kommt auch nicht mehr in den zwölften Stock. Nachts sieht man wieder die Sterne, dafür kommt plötzlich kein Wasser mehr aus dem Hahn und die Toilettenspülung gurgelt nur noch. Kein Problem, ich bin ja staatlich geprüfter Funkamateur.

Aha, die Relais sind auch alle tot. Aus meinem Gummiwurst-Handy dringt nur Rauschen. Die Relais haben wohl keine Notstromversorgung oder der Sonnensturm hat sie ausgepustet. Macht nichts, es gibt ja noch die Kurzwelle. Vorsichtshalber nehme ich mein QRP-Gerät aus dem Schrank. Die grosse Stations-Kiste säuft ja im Leerlauf bereits vier Ampere. Im Schrank ist auch mein Akku, da ist sicher noch vom letzten SOTA ein bisschen Strom drin und langweilt sich. CW habe ich verlernt, also rufe ich mal in SSB auf der Notruf-QRG. Welche Frequenz war das doch gleich? Vielleicht mache ich doch lieber auf Digital. Ops, das Notebook hat‘s auch erwischt. Entweder ist der Akku leer oder er hat zu viele hochenergetische Sonnenteilchen abbekommen. Wer weiss das schon.

Macht nichts. Ich habe ja noch das Notstromaggregat in der Garage und als Deluxe-Amateur meine abgesetzte Station auf einem Radiohill. In mir kommt Pfadfinder-Stimmung auf.

Da ruft mich meine Frau und sagt, sie habe endlich eine UKW-Radiostation gefunden. Schwach  und verrauscht zwar, aber sie würden immer wieder durchgeben, dass keine Gefahr bestünde, man ruhig zu Hause bleiben solle, die Behörden hätten alles unter Kontrolle. Ob ich aber trotzdem zum Tankstellenshop fahren könne, ihr sei die Milch ausgegangen.

73 vom Notfunkträumer

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