Tagesarchiv: 27. Dezember 2013

Bei Kerkos ist nicht alles Gold was glänzt

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Der Beitrag von Harald Arnold, DL2EWN, in den beiden letzten Ausgaben des FUNKAMATEUR, waren das Abo für das ganze Jahr wert. Nicht, dass ich die Endstufe nachbauen möchte. Aber die Beschreibung seiner Entwicklung  zu lesen, machte Spass und hat mich auf einen Punkt aufmerksam gemacht, den ich bisher bei meinen Basteleien etwas vernachlässigt hatte.

Harald hat nämlich für das Tiefpassfilter seiner Endstufe Keramikkondensatoren, kurz Kerko, untersucht. Das Resultat ist erstaunlich und hat mich aufgeschreckt. In den letzten Tagen habe ich deshalb oft in meiner Kondensator-Kiste gewühlt, gemessen und sortiert. Ich kam dabei zum gleichen vernichtenden Schluss:

Die gewöhnlichen Kerkos (Klasse 2?) aus den Regalen des Elektronikhandels sind für Schwingkreise und Filter unbrauchbar. Einige Typen würde ich nicht einmal an kritischen Stellen als Abblockkondensator einsetzen. Die Güte ist grottenschlecht und die Toleranzen sind extrem gross.

Nachts geistern nun einige Oszillatorschaltungen und Filter aus den letzten Jahrzehnten durch meinen Kopf, die nicht so taten, wie sie sollten. Ob das an den Kerkos lag? War doch bisher die gängige Meinung, dass die Spule die Kreisgüte bestimmte und die Güte des Kondensators zu vernachlässigen sei? Die Spule = das Schreckgespenst des OM ;-)

Dem ist überhaupt nicht so. Ich habe die Prüfeinrichtung von Arnold nachgebaut und mit dem Rigol Analyzer und dem Tracking-Geni einige Messungen an Kondensatoren gemacht.

Im Vergleich zu Glimmerkondensatoren sind viele Keramische nicht brauchbar. Lag die Kreisgüte mit einem Glimmer über hundert, sackte sie mit einem Kerko oft in den einstelligen Bereich. Zudem wurden zum Teil nicht einmal die Toleranzen eingehalten. Ein 3n3 aus schwedischer Produktion hatte zum Beispiel mehr als 5nF.

Setzt man Kerkos in HF-Schaltungen ein, so kommt man, ausser bei Abblockkondensatoren, kaum umhin, jeden einzeln durchzumessen.

Ich habe das mit dem Gerät von AADE getan. Ein geniales Teil, das als Bausatz erhältlich ist. Interessant war dabei die Beobachtung, dass viele Kerkos bei der Messung gar nie zur Ruhe kommen. Die Kapazität wandert dauernd umher.

Das liegt einerseits an der Messmethode, bei der die Frequenz verändert wird und natürlich am keramischen Dielektrikum, das zum Teil stark frequenzabhängig (und feldstärkeabhängig!) ist. Nur COG Kerkos hielten die Füsse still. Es ist schon beunruhigend, zu sehen, dass Kondensatoren nichtlineare Elemente sind!

Folienkondensatoren und Glimmer wanderten hingegen nie. Russische Türknopfkondensatoren auch nicht (Porzellan als Dielektrikum?) Die Anzeige stand immer sofort bockstill. Meines Erachtens ist daher die “Wandergeschwindigkeit” auf der Anzeige des AADE-Instrumentes ein Kriterium für die Güte des Keramikmaterials. Der geplagte OM kann ja nicht jedes Teil mit dem Spektrum-Analyzer und Trackinggenerator in einem Schwingkreis ausmessen, ohne in die Tischkante zu beissen.

Und die Moral von der Geschicht?

In Zukunft ist mein Verjhältnis zu Kerkos nicht mehr so entspannt wie früher und in Oszillator- und Filterschaltungen werde ich nur noch Glimmer einsetzen, auch wenn diese teuer und rar geworden sind. Für weniger kritische Anwendungen bevorzuge ich COG (NP0) und  zum Abblocken scheint mir X7R das Material der Wahl zu sein. Für grosse (Blind)Ströme kommen natürlich die alten Russen zum Einsatz. Was mir nicht koscher schien, habe ich in der runden Ablage entsorgt ;-) Da hatte es gar seltsame Pappenheimer darunter.

Folien (WIMA) und Styroflex habe ich natrülich behalten. Für NF, Lang- und Mittelwelle.

73 de Anton

Bild: Burn-out (Ist wohl zu einer Zeit entstanden, als man zur Arbeit noch rauchen und sich ein Gläschen genehmigen durfte ;-)