Tagesarchiv: 8. April 2013

Wie lerne ich morsen?

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In der letzten Zeit stelle ich in meiner Funknachbarschaft etwas Erstaunliches fest: Newcomer unter den Funkamateuren beginnen zu morsen, obschon sie nie eine Morseprüfung gemacht haben. Kürzlich hatte ich sogar auf 2m ein CW-QSO mit einer HB3-Station. Auch bei den Medien stösst die Telegrafie auf besonderes Interesse, wenn über den Amateurfunk berichtet wird. Wenn ich portabel unterwegs bin und sich Passanten über mein Hobby wundern, dann stösst die Telegrafie auf besonderes Interesse. Auch bei den technophilen Jungen.

Ich war zu Beginn erstaunt über das Revival dieser totgesagten Betriebsart. Doch in der Zwischenzeit und nach etlichen Diskussionen, glaube ich, die Gründe dafür zu kennen:

In ein Mikrofon zu labbern, ist heutzutage nichts Besonderes und Millionen von Menschen kommunizieren in jedem Moment mittels Handfunkgeräten und Relaisstationen im 900 und 1800MHz Band miteinander. Das lockt keinen toten Hund mehr hinter dem Ofen hervor. Auch digitale Betriebsarten sind kalter Kaffee. Da lachen sich die Jungen einen Schranz in den Bauch, wenn sie den Opa am Computer sehen. „Wieso braucht der Alte kein Skype?“, heisst es höchstens.

Reden und Computerlen kann heute jeder, dazu braucht es kein Talent, höchstens etwas Geld. Doch Telegrafieren? Da staunt der Laie und die Jugend wundert sich. Was der alte Knacker mit der Taste macht, bringt man nicht zustande. Ja, man kann nicht einmal herausfinden, was er da zusammenmorst. Zudem ist der Opa noch schnell – schneller als die schnellste SMS. Das weckt Bewunderung und auch den Wunsch, diese Kunst selbst zu beherrschen.

Wenn der neugierige Beobachter dann noch erfährt, dass bereits die Titanic auf diese Art ihren Notruf abgesetzt hat und es sich bei der Telegrafie um die ursprüngliche Art der drahtlosen Kommunikation handelt, ist er vollends fasziniert.

Aber wir Funkamateure wissen noch mehr über diese alte Kunst und es ist nicht nur ihre Faszination, die uns an der Taste hält. In der Betriebsart CW lässt sich mit einfachsten Mitteln funken. Schon mit einem oder zwei Transistoren, kann (fast) jeder von uns Funkamateuren in kürzester Zeit einen funktionierenden Sender bauen. Ein passender Empfänger dazu braucht nicht viel mehr. Die Betriebsart ist robust und funktioniert auch noch unter den widrigsten Bedingungen. Die belegte Bandbreite ist minimal. Während bei den digitalen Betriebsarten Milliarden von Transistoren beteiligt sind und im QRP-Betrieb der Computer mehr Strom säuft als die Funkstation, reicht dem Telegrafisten eine Taschenlampenbatterie. Das prädestiniert die Telegrafie auch zur idealen Betriebsart für den Notfunkverkehr.

Doch da stellt sich dem Newcomer die Frage: Wie lerne ich diese alte Kunst?

Eine Möglichkeit ist natürlich einen Morsekurs zu besuchen. Aber ich möchte heute noch einen anderen Weg aufzeigen.

Und hier kommt wieder der Computer ins Spiel. Es gibt heute recht gute Morse-Decodier-Programme, wie dieses hier. Damit kann man schon mal das Alphabet und dann das Tastspiel üben – für die meisten der leichtere Teil. Doch da, wo früher Knochenarbeit angesagt war, hilft nun das Decodierprogramm weiter und macht dabei noch unheimlich Spass. Auch wenn es noch nicht für normale QSO’s in der „Öffentlichkeit“ reicht: Als nächsten Schritt sucht man sich Gleichgesinnte und beginnt den praktischen Funkverkehr zu üben. Leere Bänder dazu haben wir ja mehr als genug. Zuerst wird man die empfangenen Buchstaben vom Bildschirm des Computers ablesen. Doch mit dem gleichzeitigen Hören beginnt man zu assimilieren. Man prägt sich die Klangbilder der Buchstaben und der Wörter ein und stellt nach einer Weile fest, dass man gar nicht mehr auf den Bildschirm zu sehen braucht. Eines Tages wird man den PC abstellen: Man ist zum Telegrafisten geworden und gehört nun zu dem kleinen verschworenen Klub, der die älteste Kunst des Funkens beherrscht.

73 de Anton