Krise: Wenn Funker plötzlich nicht mehr funken

Im DXCC-Land mit den meisten Amateurfunkern, in Balkonien, herrscht die Krise. Mit Elan und voller Motivation haben sie sich zum OM gebüffelt, haben anschliessend jede Menge teure Gerätschaften gekauft und vieles ausprobiert. Und plötzlich ist der Ofen aus. Die Liebe zu den Ätherwellen ist erloschen. Eine neue Flamme hat die Stelle der alten übernommen. Hobbys gibt’s wie Sand am Meer. Im Zeitalter der Beliebigkeit ist alles austauschbar.

Ich funke jetzt seit 42 Jahren – zähle ich die Schwarzsenderei dazu, sind’s wohl gegen 50 :-) – und ich habe dieses plötzliche Erlöschen schon oft miterleben müssen. Da ist der Funkfreund, mit dem ich 23cm FM-Transceiver gebaut und Ausbreitungsversuche unternommen habe. Oder die Kollegen mit denen ich nächtens 10m “Füchse” gejagt habe, mit selbstgebauten Empfängern und Peilrahmen. Oder der abendliche Gesprächspartner auf 160m während langen  Jahren. Sie sind alle weg. Die Liste ist lang – viel zu lang. Und ich frage mich oft, wieso ich übrig geblieben bin, wieso ich diesem Hobby all die Zeit die Treue gehalten habe.

Ich denke, es hat mit einem ganz speziellen Virus zu tun. Wer einmal damit infiziert wurde, der kommt nicht mehr von den Ätherwellen weg, gleich was auch geschieht. Kinder, Scheidung, Berufswechsel, Auswandern, neue Freundin, Umzug nach Balkonien in eine hoffnungslose Antennensituation, nichts kann den Virus stoppen.

Doch nicht alle wurden von diesem Wellen-Virus infiziert. Ob sie dagegen geimpft wurden, entzieht sich meiner Kenntnis :-(  Aber jetzt scheint es ein neues Wundermittel gegen den Wellen-Virus zu geben: ein i-Dings. Es scheint ein starkes Mittel zu sein.

In der letzten Zeit bin ich einigen Funkern begegnet, die pausenlos mit ihrem i-Dings korrespondierten. Aufgefallen ist mir die streichelnde Handbewegung, mit der sie ihre neue Flamme liebkosten. Immer wieder strichen sie ihr sanft über das Antlitz, bzw. den Bildschirm. Da seien Apps drin, auch für den Amateurfunk, erzählten sie voller Begeisterung. Ein älterer Herr erklärte mir sogar, wie er mit seinem neuen i-Ding, seine Funkstation fernsteuern könne. Nur komisch, dass ich ihn noch nie auf den Bändern gehört habe. Es könne einfach alles, sagte mir ein anderer verzückt, während ich mit ihm nach Bern und zurück fuhr. Er liess dabei keinen Blick von seinem Apparat und berichtete mir immer wo wir gerade durchfuhren. Dabei hätte ein Blick aus dem Wagenfenster gereicht. Ganz schlimm ist es in unserem Funkerclub. Hat jemand eine Frage und niemand eine Antwort, streicht bald einer auf seinem Ding rum. Mann sei immer online, wird erklärt, das sei normal. Jederzeit zwitschern oder Striptease im Fratzenbuch, ein virtuelles Lebensgefühl. Erstaunlicherweise kann man mit dem Teil sogar telefonieren, wie ich gesehen habe. Obwohl jeder alte Telefonhörer ergonomischer ist.

Kurz, dieses i-Ding scheint ein richtiger Funkkiller zu sein. Ich werde mich hüten, eins zu kaufen. Mir reicht schon mein neuer Fotoapparat. Auch der hat GPS, weiss der Henker wieso. Vielleicht zur Verstärkung des Stromverbrauchs. Könnte ja sein, dass sich der Strom im Akku langweilt.

Ein anderer Funkkiller scheint der ordinäre Computer zu sein. Da spielen alte Männer plötzlich Pilot am PC und lassen DX links liegen. Andere wiederum skypen lieber. Mangels Antenne oder Ausbreitung, oder beiden.

Bei mir haben die Computer noch nicht gewirkt. Entweder ist meine Virusinfektion zu stark oder es ist der Umstand, dass ich PC’s als Verbrauchsmaterial ansehe, so wie Lötkolben und Zinn. Verbrauch ca. ein Notebook pro Jahr :-)

Übrigens scheint der Virus mit dem Alter immer stärker zu werden. Ob Langwelle oder Gigahertz, ob CW, Sprache oder Digital, ich hatte noch nie soviel Spass mit unserem Hobby.

73 de Anton

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