Klein, kleiner, am kleinsten – Teil 3

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Bei der Beurteilung von Morsetasten gibt es viele Kriterien. Auf zwei davon richte ich mein besonderes Augenmerk: auf die Präzision der Mechanik und auf das Material der Kontakte.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Morsetasten, sind die Palm-Tasten nicht aus gefrästen und gedrehten Metallteilen aufgebaut, sondern bestehen aus Kunststoff-Spritzteilen.

Kleine und kleinste Teile aus Kunststoff zu spritzen, ist eine Kunst und bedingt gute und erfahrene Werkzeugmacher. Diese findet man vor allem in Zentral-Europa, aber auch in Japan. China holt aber auch auf diesem Gebiet rasch auf und die Amerikaner verlieren immer mehr den Anschluss. Erstens wegen der De-Industrialisierung und zweitens wegen der fehlenden Berufslehre im Ausbildungs-System.

Ich habe in meinem früheren Leben viele Betriebe in den USA besucht. Es gibt dort eine Crème de la Crème, eine dünne Schicht High-Tech-Industrie. Der Rest – auch sehr grosse Betriebe – befindet sich für unsere Verhältnisse auf Garagen-Niveau. Ich fiel aus allen Wolken, als ich zum ersten Mal ein Montagewerkzeug sah, das aus einem Brett und ein paar eingeschlagenen Nägeln bestand.

Doch zurück zu Palm. Kunststoff-Spritzteile haben den Vorteil, dass sie bei grösseren Stückzahlen weniger kosten als Dreh- und Frästeile. Für die Stückzahlen, wie sie bei Morsetasten anfallen, rentieren sie aber nicht. Darum sind die Palm auch nicht billig.

Und sie sind nicht so stabil, wie Metallteile. Daher auch das Nachfedern, bzw. der butterweiche Anschlag beim Minipaddle, dem grösseren der beiden Zwerge. Es ist keineswegs die Leiterplatte, die dieses Durchfedern erlaubt, wie man bei oberflächlicher Betrachtung glauben mag. Betrachtet man die Funktion der Mechanik unter dem Mikroskop, so stellt man fest, dass es die Tasthebel sind, die nachgeben.

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Beim Pico-Paddle ist das praktisch nicht mehr der Fall. Nur der Mittelkontakt, der auf einem Kunststoffsockel sitzt, gibt noch etwas nach und erzeugt damit das Gefühl eines weichen Anschlags. Viele OM mögen das.

Dieser Mittelkontakt besteht übrigens aus einer gewöhnlichen Lötöse, wie man sie in der Elektronik zu Hauff findet. Auf den Hebelseiten sorgen Leiterbahnen auf Epoxiplatten für die Kontaktgabe. Sie sind vergoldet.

Das scheint auf den ersten Blick eine gewagte Konstruktion. Lötöse auf Leiterplatte als Kontakt? Doch unter dem Mikroskop fällt auf, dass dies auch dem Konstrukteur nicht ganz geheuer gewesen sein muss. Die Kanten der Lötösen scheinen nachträglich vergoldet worden zu sein.

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Gold auf Gold ist eine sichere Sache. Doch aufgrund einer kleinen lateralen Bewegung findet immer ein Abrieb statt. Auch wenn dieser äusserst gering ist: die Goldschicht ist eines Tages weg gemorst. Ob das bei Hardcore Telegrafisten noch zu Lebzeiten stattfindet, wird die Zeit zeigen.

Im Übrigen gleicht die Konstruktion des Pico dem Mini. Die dritten Inbusschrauben, die bei der Mini auf die Leiterplatten drückten und deren Funktion etwas zweifelhaft war, wurden weggelassen.

Der Stecker ist nun, wie bereits erwähnt, ein 2.5mm Stereostecker. Damit wurde der empfindliche Palm-Stecker ersetzt. Dieser sei damals wegen der zusätzlichen (optionalen) Tastelektronik beim Mini nötig gewesen, wird gesagt.

Eine der interessantesten Funktionen – das Schildkröten-Prinzip – ist auch beim Pico Paddle erhalten geblieben. Zum Transport verkriecht sich die Taste in ihrem schützenden Gehäuse. Nach meinen Felderfahrungen ein ganz wichtiger Vorteil aller Palms.

Ein weiterer Vorteil der Palms ist das, bis auf das kleinste Detail durchdachte, Zubehör. Angefangen bei den, mit starken Neodym-Magneten bestückten, QuickMounts, bis zu der Transportschachtel. Letztere ist zwar gut gemeint, aber ich werde sie wohl eines Tages als Gehäuse für irgendein Projekt verwenden. Wieso sollte ich eine winzige Taste in einer riesengrossen Schachtel transportieren?

Der Piccolo ist so klein, dass man ihn auf die Unterseite eines FT-817 montieren kann. Dazu wird eine Gehäuseschraube entfernt und mit einer längeren ein magnetloses QuickMount auf die Unterseite des FT-817 geschraubt. Dieses MK-817 genannte Kit beinhaltet auch ein genau abgemessenes Anschlusskabel. Dessen Anschlüsse sind vertauscht, so dass sich bei dem kopfüber montierten Paddle die Punkte und Striche wieder auf der richtigen Hebelseite befinden.

Hier noch das passende Video dazu.

Ein Zubehör von Palm, das ich jedem FT-817 Besitzer empfehlen kann, sind die Peg Legs. Ich ertappe mich immer dabei, dass ich sie Pig Legs nenne. Damit kann der Transceiver schräg aufgestellt werden, was nicht nur bei einem „untergejubelten“ Pico praktisch ist. Die Füsse können bei Nichtgebrauch hochgeklappt werden und stellen auch für die Tragegurte und die Schutzhülle kein Hindernis dar.

Es gäbe noch vieles über den Zwerg der Zwerge zu berichten. Aber ich möchte ja keinen Roman schreiben. Zusammengefasst kann ich sagen: Das Pico Paddle von Palm ist trotz der Kleinheit eine Vollwertige Morsetaste, präziser als sein grösserer Bruder, und ein konkurrenzloses Meisterstück.

An dieser Stelle möchte ich Hansjörg, HB9DWS, herzlich für den „HB9DWS-AWARD“ und das Paddle danken.

Inzwischen habe ich etliche Mails von begeisterten Pico Benutzern erhalten. Die beiden folgenden Bilder stammen von Bernd, OZ/DK1DU, der seinen Urlaub auf der Insel Læsø im Kattegatt zwischen Dänemark und Schweden verbringt (IOTA EU-088).

73 de Anton

fenster kx1

3 Antworten zu “Klein, kleiner, am kleinsten – Teil 3

  1. Danke Anton!
    ich hatte mir das Ding in Friedrichshafen nur aus der Ferne angeschaut, nach dem Motto “noch kleiner braucht’s jetzt wirklich nicht zu sein”. Hätte nicht gedacht, das es tatsächlich brauchbar ist…so kann man sich irren!

  2. zum Thema Selbstbau Screwdriver Antenne gibt es im Netz schon Infos, z.B.: http://www.k4eaa.com/screwdriver.htm
    Der Aufwand für die Mechanik ist allerdings hoch und erfordert eine gut ausgestattete Werkstatt. Für die schmalen Funkamateurbänder braucht man aber keine durchgehende Abstimmung, da lässt sich eine Abstimmung mit konzentrieren L und C einfacher realisieren.
    In den USA gibt es übrigens durchaus preiswerte Screwdriver Antennen zu kaufen, z.B. http://k4poz.com/screwdriver.html
    vy 73

  3. und all die Mhyten über diese Antennen werden hier abgehandelt:

    http://www.k0bg.com/myths.html

    Wenn man das alles weiss und anwendet, wird man Mobil auch gehört!

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